Presseinformationen
26.03.2015 - Ein schöner Versuch, der an der Realität scheitert
Kritische Auseinandersetzung mit den Lärmpausen beim Politischen Salon von AWO und VHS
Offenbach. Der Politische Salon hat erneut ein hoch brisantes Thema aufgegriffen und zu den geplanten Fluglärmpausen in Offenbach die erste Infoveranstaltung in der Stadt ausgerichtet.
Bruno Persichilli, Moderator des überparteilichen Diskussionszirkels informierte mit seinen Gesprächspartnern darüber, was auf Offenbach zukommt. Eine Meinung sollten sich die Gäste selbst bilden. Als Experten nahmen am Gespräch teil Paul-Gerhardt Weiß, Stadtrat
a. D., Thomas Hesse, stellvertretender Vorsitzender der Bürgerinitative Luftverkehr sowie Edmund Flößer-Zilz, Bündnis 90/ Die Grünen. Schon vor der Veranstaltung brachte ein Gast den größten Kritikpunkt zum Ausdruck indem er feststellte, dass man von Lärmpausen wohl nicht sprechen könne, wenn der Lärm nur umverteilt werde. Persichilli nahm dies in seine einleitenden Worte auf und meinte: „Auch wenn es schon etliche Meinungsäußerungen zur Frage der Lärmpausen gibt, sollten wir uns zunächst genau informieren und dann überlegen, was wir für Offenbach tun können. Hier müssen wir über die Parteigrenzen hinweg agieren und müssen vor allem die Forderung nach einem Nachflugverbot von 22 bis 6 Uhr als erste Forderung aufrechterhalten". Weiter wies er auf den beschlossenen Antrag der Stadtverordnetenversammlung hin, in dem der Magistrat aufgefordert wird, sich dafür einzusetzen, dass der Bau des Terminals 3 nicht realisiert wird.
Thomas Hesse von der BI Luftverkehr erläuterte nach einem kurzen Video der Landesregierung zur Problematik der Lärmpausen die möglichen Varianten und ging vor allem auf die Variante 4 ein, die ab dem 23. April für ein Jahr erprobt werden soll. Während das Video ein positives Signal zum Lärmschutz aufzeigen will, sieht die zu erwartende Realität der Lärmpausen für Offenbach anders aus. Der Süden Offenbachs wird zusätzlich mit Lärm belastet, während der Offenbacher Norden entlastet wird. Eine Stunde mehr Nachtruhe für den Norden Offenbachs zu Lasten des Südens der Stadt, das sei in Wirklichkeit keine tatsächliche Pause für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Bei der Ausarbeitung der Varianten seien zwar hunderte Modelle durchgerechnet worden, aber es gab keine Beteiligung der Bürgerinitiativen oder betroffener Gemeinden. So sei deren Vorschlag, die sieben Stunden Lärmpausen durch eine Verlängerung des Nachtflugverbotes von 22.30 Uhr bis 5.30 Uhr zu erreichen gar nicht geprüft worden mit dem Argument, dies sei vom Planfeststellungsverfahren nicht gedeckt. Dabei könne die Landesregierung laut Hesse durchaus eine Änderung herbeiführen, wenn sie denn wolle.
Auftraggeber für die Erarbeitung der Lärmpausen war nämlich die Landesregierung, Auftragnehmer waren Fraport, Flugsicherung, Lufthansa und Luftverkehrsverbände. Die Vorgaben waren: Südbahn und Centerbahn können nicht getrennt angeflogen werden, es soll sieben Stunden Pause im Betriebe geben, es darf keine gleichzeitigen Landungen und Starts geben, es darf keine Modifikationen oder Neueinführungen von Flugverfahren geben. Dies habe dazu geführt, dass die Fluglärmkommission letztlich zur Variante 4 nur ein sog. „Neutralvotum" abgegeben habe. Grotesk sei zudem, dass eine Fluglärmpause schon vorliege, wenn es nicht zu mehr als sechs Einzelschallereignissen von 58dB(A) komme. Belastend für die Betroffenen seien aber gerade die Einzelschallereignisse, die einen aus dem Schlaf rissen.
Die BI Luftverkehr rechnet damit, dass es zu großen Protesten aus dem Süden Offenbachs kommen wird, wenn die Menschen verspüren, was mit den Lärmpausen für den Norden an zusätzlichem Lärm für den Süden Offenbachs hinzu kommt. Hier würde auch kein Aufrechnen von Mehr- und Minderbelastung helfen. Deshalb sei die BI nach wie vor gegen den weiteren Ausbau des Flughafens, gegen den Bau des Terminals 3, fordere den Stopp von Subventionen und die Begrenzung auf maximal 380.000 Flugbewegungen im Jahr.
Paul-Gerhard Weiß wies eingangs darauf hin, wenn die Lärmpausen nach der einjährigen Erprobungsphase in den Regelbetrieb gehen sollten, müssten die Ansprüche der Bürger auf passiven Lärmschutz im Offenbacher Süden neu bewertet werden. Der Süden sei ohnehin schon jetzt hoch belastet, da gerade die schweren, besonders lauten Flugzeuge nur über den Süden der Stadt einfliegen dürfen und die Überflughöhe hier zudem 200 Meter niedriger sei. Auf die Frage eines Gastes, warum auch in Bürgel und Rumpenheim startende Flugzeuge abseits der eigentlich vorgesehenen Routen zu hören sind, erläuterte Weiß, dass der Startbetrieb nicht so starr wie der Landebetrieb erfolge. Es gebe zwar eine „Ideallinie" für den Abflug, aber die Piloten dürften sich innerhalb eines relativ großen „Flugerwartungsgebietes" legal bewegen. Was die Lärmpausen angeht, meinte er: Die Bedeutung und Möglichkeiten von Lärmpausen seien durchaus sinnvoll und gelten als anerkannte Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes und als Kriterium für ein Lärmmanagement. In Amsterdam funktioniere dies über eine Kontingentierung, und es gebe reihum tatsächlich mehr Lärmpausen. Aber für das Rhein-Main-Gebiet gebe es kein echtes Lärmpausenmodell, keine Rotation wie in Amsterdam. Weiß stimmt Hesse zu und unterstreicht, dass man für Offenbach nur von einer Verlagerung, von einer Verschiebung sprechen könne. Die einzelnen Stadtteile würden gegeneinander ausgespielt. Ausgerechnet die hochbetroffenen Stadtteile würden zusätzlich belastet, dort wo es eh schon am lautesten ist, komme noch mehr Lärm hinzu. Schade sei, dass das seit zwei Jahren übliche und erfolgreiche Startverfahren DROps (Dedicated Runway Operations), das jeden zweiten Tag zu einer morgendlichen Lärmpause bei Startbetrieb über Offenbach führte, nicht fortgesetzt werde, da die Flugsicherung dies als unvereinbar mit dem neuen Lämpausenmodell ansehe.
Ein Diskussionsteilnehmer beklagte sich, dass viele Flugzeuge beim Landeanflug viel zu früh die Fahrgestelle und Landeklappen ausführen. Diese Problematik könnte sich durch die Lärmpausen evtl. noch verschlimmern. Als befremdlich empfanden die Diskussionsteilnehmer, dass die IHK sich überhaupt nicht um die Belastung durch den Flugverkehr kümmere.
Edmund Flößer-Zilz von den Grünen warf ein, man müsse die Erprobungsphase der Lärmpausen abwarten und das subjektive Empfinden der Bürgerinnen und Bürger und die Messungen anschließend bewerten. Ansonsten verwies er darauf, dass die Grünen/Bündnis 90 nach wie vor eine Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr forderten. Gefragt sei aber auch die Bundesregierung. Würde man die Kerosin-Steuer endlich einführen, wären die Billigflüge in dem Umfang nicht mehr möglich, zudem würde der Staat viel Geld einnehmen können. Wichtig sei die Einführung von Lärmobergrenzen.
In der Abschlussrunde meinte Thomas Hesse: „Was man dem Minister Tarek Al Wazir zugutehalten muss: er hat den Fokus auf den Fluglärm gelenkt, auch wenn die sog. Pausen in Wirklichkeit nur eine Lärmdämpfung sein werden." Hier gab es Einspruch der Gäste: Der Minister sollte mehr Ehrlichkeit und weniger PR betreiben: Die Botschaft, dass Offenbach Gewinner bei den Lärmpausen sei, wäre angesichts der zu erwartenden Realität ein „Taschenspielertrick"!
Paul-Gerhard Weiß meinte abschließend, man müsse alle Möglichkeiten nutzen, die zu einer Verringerung des Lärms führen können. Viele kleine Veränderungen seien notwendig. Von den Lärmpausen bleibt: „Es ist ein schöner Versuch, der an der Realität scheitert". Möglich sei mehr: So habe erst kürzlich ein Pilot erfolgreich einen Landeanflug in Frankfurt mit 4,5 Grad statt bisher 3,0 bzw. 3,2 Grad absolviert. Dies würde im Regelbetrieb eine sehr große Entlastung erzielen.